Allgemein, Exkursionen

Exkursion zu ZOBA-Eck zur Zeitzeugin Katja Sturm-Schnabl

Am 21.11.2022 war es soweit. Nachdem Kunst- und Kulturvermittlerin B. Neiss interessierte Teilnehmerin aus der #futurefactory auf den Besuch von Katja Sturm-Schnabl, Sprachwissenschaftlerin und Kulturhistorikerin, im ZOBA-Eck vorbereitete, warteten alle gespannt auf die noch lebende Zeitzeugin, die in der Nazizeit aus der Sicht eines Kindes ihre Erinnerungen vortrug.

Frau Sturm-Schnabl, Jahrgang 1936, begann ihre sehr berührende Geschichte mit dem Hinweis, wie Mitte des 20. Jahrhunderts eine Diktatur Menschen aufgrund eigener Gesetzgebungen als „unwert“ bzw. „nicht lebenswert“ vernichtete und eine Tötungsmaschinerie, ausgerichtet für 11 Millionen jüdische Mitmenschen entwarf und umsetzte. Als Zeitzeugin war Frau Sturm-Schnabl damals 6 Jahre alt und musste erleben, wie sie ihr Zuhause durch „Raubmörder“, die aus Habgier und Menschenverachtung sie und ihre Familie vom Hof in Kärnten vertrieben, verlor und wie ein Regime – mit SS-Soldaten und einer Wehrmacht, als so genannte legitimierte Erfüllungsgehilfen des Regimes, nur ihre selbst ernannte Pflicht erfüllten: Die Vernichtung von 6 Millionen jüdischen MitbürgerInnen und anderen Menschen, die nicht den so genannten „Rassengesetzen“ entsprachen.

Die Vernichtungsmaschinerie des „deutschen Reiches“, war laut Frau Sturm-Schnabl auf 11 Millionen Menschen ausgerichtet und weil diese Tötungszahl nicht mit der jüdischen Bevölkerung erreicht wurde, entwarf das diktatorische Regime der Nazis noch weitere Kategorien an Menschen, die zu eliminieren, also zu töten waren: Darunter waren eben Kärntner SlowenInnen (die Familie der Zeitzeugin Sturm-Schnabl) genauso wie Roma, Sinti, Homosexuelle, Menschen mit psychischen und physischen Beeinträchtigungen, etc.

Sehr eindrucksvoll schilderte Frau Sturm-Schnabl ihre Deportation nach Deutschland in einem Viehwaggon, ihre Lageraufenthalte, die Demütigungen von Menschen als „ZwangsarbeiterInnen“ und die Vernichtungslager, KZ genannt, die für die Tötungsmaschinerie perfektioniert wurden. Die jeweiligen Lager wurden alle sehr hierarchisch geführt, mit den Funktionen „Lagerführung“/ „Lagerleitung“, “Lagerärzten“, die über Leben oder Tod in jedem der Lager entschieden und den so genannten Aufpassern über die Insassen.

Einer der Lagerärzte tötete mit einer Injektion, die ein Jahr ältere Schwester der Zeitzeugin und für Sturm-Schnabl beschreibt dies die Menschenverachtung des damaligen Deutschen Reiches, wo es Österreich noch nicht gab und wo „sehr gründlich, perfekt geplant und mit scheinbaren Gesetzen legitimiert“ eine „Tötungsindustrie“ umgesetzt wurde, die „es vorher und nachher in dem Ausmaß nicht mehr gab“, wie Sturm-Schnabl betonte.

Die Teilnehmerinnen wollten wissen, wie sie Vertreibung, Lageraufenthalte und Rückkehr emotional verarbeiten konnte und wie die Bevölkerung bei der Rückkehr nach Kärnten reagierte. Frau Sturm-Schnabl sagte, dass sie damals bei der Rückkehr auf ihren Hof in Kärnten, von den Engländern als Kriminelle empfangen wurden, dass es schwer gewesen wäre, ein „normales“ Leben zu führen – schließlich hat Frau Sturm-Schnabl ihren Bildungsweg mit sehr viel Ausgrenzung, Mobbing und Verachtung von Seiten der Bevölkerung trotzdem absolviert und sie war stark genug, um in Wien zu studieren und eine sehr erfolgreiche, akademische Laufbahn einzuschlagen.

Schließlich konnte Frau Sturm-Schnabl ihre traumatischen Erinnerungen erst 1996 mithilfe des Mauthausen-Komittees und einer Therapeutin, innerhalb einer Gruppe, die damals Kinder waren und ähnliche Schicksale erlebten, aufarbeiten. Noch heute seien die Erinnerungen wieder präsent, insbesondere dann, wenn Fr. Sturm-Schnabl, die heutigen politischen Entwicklungen betrachtet.

Auf die Frage, was sie den jungen Menschen für ihre Zukunft mitgeben möchte, meinte Frau Katja Sturm-Schnabl, als eine der wenigen noch lebenden ZeitzeugInnen: „Ich erzähle meine Erinnerungen in Schulen und ich denke, dass das Einzige, was vielleicht helfen könnte, eine Wiederholung der menschenverachtenden Maschinerie zu verhindern, politische Bildung allerorts wäre. Dadurch könnten Menschen autonomer werden, um einseitige Berichte zu hinterfragen und sich echtes Wissen aneignen, gegen jegliche Form des Faschismus.“ Denn, laut Sturm-Schnabl: „Menschenverachtendes Gedankengut richtet sich gegen alle Menschen, unabhängig ob sie nun Flüchtlinge sind oder nicht. Wir waren als Kärntner Slowenen ja keine Flüchtlinge, wir lebten schon seit Generationen auf unserem Hof und es traf uns trotzdem.“

Als lebende Zeitzeugin konnten die Teilnehmerinnen einem persönlich äußerst berührenden Erinnerungsbericht folgen, worin eine ganz klare Botschaft lag: Achtsam gegen all jene Institutionen, Parteien und FührerInnen zu sein, die den Staat als Macht „gegen die Menschen“ und nicht „für die Menschen“ missbrauchen, die bloß aufgrund ihrer Gier nach materiellen Gütern Menschen ausgrenzen, rauben, vernichten und schließlich vor Tötungen nicht zurückschrecken.

Wissensaneignung könnte ein Mittel sein, laut Frau Katja Sturm-Schnabl, damit Menschen ein autonomes und zivilisiertes Leben führen können, um scheinbare Wahrheiten zu hinterfragen.   

Die Teilnehmerinnen dankten der Zeitzeugin für ihren offenen, persönlichen Erfahrungsbericht und zeigten sich beeindruckt vom Mut und der Lebenskraft von Frau Katja Sturm-Schnabl. Es war für alle Beteiligten eine Motivation für die eigenen Lebens- und Bildungswege.