Unter dem Titel „DIVÖRSITY“ finden erstmals die österreichischen Tage der Diversität statt.
Aus diesem Anlass erarbeiteten die Teilnehmer*innen der #futurefactory diverse Projekte, welche am 16. Oktober 2018 bei unserer Vernissage im Schulungszentrum Gasometer vorgestellt wurden.
Im Deutsch-Training bekamen unsere Teilnehmer*innen eine neue Identität und sie erzählten aus dem Alltag ihres neuen Ichs:
Und wieder einmal wurde ich abgelehnt, das war die fünfte Ablehnung in dieser Woche. Ich würde wohl andere in meiner Tätigkeit als Lehrer „gefährden“ und „anstecken“ können. Dabei haben die Ärzte mir zugesichert, dass man in der heutigen Zeit ein sehr gutes Leben mit HIV führen kann, wenn man seine ärztlichen Termine regelmäßig einhalten und seine Medikamente auch nehmen würde, dass ich allerdings von der Gesellschaft mehr oder minder verstoßen werde, konnte mir niemand sagen..
Ich bin vor sechs Jahren aus dem Iran nach Österreich gekommen. Man hat es als homosexueller Mann nicht einfach, nein, es ist sogar illegal homosexuell zu sein! Es ist illegal romantische Gefühle für dasselbe Geschlecht zu empfinden: Liebe ist illegal. Ich hätte für meine sexuelle Orientierung, die ich mir nicht aussuchen konnte, sogar getötet werden können. Mit der Krankheit dazu hätte mir hier niemand helfen wollen. Ich bin froh Alan, meinen Lebenspartner, mit nach Österreich genommen zu haben. Ich habe ihn während meines sozialen Jahrs im Irak kennen und lieben gelernt. Er hatte seine Eltern zu pflegen, mittlerweile sind diese leider verstorben. Sie wussten von unserer Beziehung, baten uns diese aber vor der Familie geheim zu halten. Ich blieb wegen Alan und meiner Wahlfamilie im Iran und ging nicht wieder zurück in die Schweiz, lernte die Sprache und begann hier mein Lehramt-Studium, welches ich erfolgreich absolvierte.
Job bekam ich jedoch keinen, stattdessen habe ich Kinder von sozialschwachen Familien in einer alten Scheune unterrichtet. Ich brachte ihnen Lesen und auch Schreiben bei. Die Eltern waren dankbar, bezahlt wurde ich mit Waren oder Dank. Geld gab es eher selten, aber damit kam ich besser zurecht als in meiner jetzigen Situation.
Alan und ich haben uns bewusst für das tolerante und offene Österreich entschieden, hier ist die medizinische Versorgung fortgeschrittener und die Menschen offener. Zwei homosexuelle Männer, Jesiden, HIV positiv, ja, ich hätte es mir auch anders gewünscht, aber man muss doch immer das Beste aus seiner Situation machen, oder?
Mein kurdischer Vater hat mich verstoßen, er möchte mit so einem „kranken Bastard“ nichts mehr zu tun haben. Mit meiner Mutter habe ich eher selten und heimlich Kontakt, die konservative schweizer Mentalität würde die Situation genau so wenig gut heißen wie die kurdische. Die einzigen Menschen, die mich unterstützen und mir nahe stehen sind Alan und Ria, meine beste Freundin, die ich vor fünf Jahren in Wien kennen gelernt habe. Sie sagte mir immer wieder ich solle die Hoffnung nicht verlieren!
Eines Tages werde ich einen Job finden. Die Motivation sinkt jedoch durch Aussagen wie „der Warme“, „der Ansteckende“ oder „der Verantwortungslose“, durch Vorurteile wie „der ist doch dauernd krank“, „der hat sichs doch so ausgesucht um zuhause bleiben und von unseren Steuern leben zu können“ oder andere primitive Beleidigungen, die ich jetzt nicht aussprechen möchte.
So tickt also das „moderne und tolerante“ Österreich wirklich. Ich gebe dennoch die Hoffnung nicht auf! Es gibt zum Glück noch Menschen, die mich nicht als höchst infektiöse Bakterie ansehen. Es gibt Menschen, die mich und meine Persönlichkeit sehen. Die Mitarbeiter im AIDS-Hilfe Haus bieten viel Unterstützung, Beratung und Hilfe an und helfen bei Problemen jeder Art! Das AMS bot mir Praktikumsplätze an. Nun gut, als Lehrer sind diese meist unpassend, aber wenn sie eine Chance auf einen Job steigern, gehe ich diesen Kompromiss gerne ein.
Allgemein gesehen ist es sehr schwierig so zu leben, wie ich nun mal Lebe_ Die vielen Termine im Krankenhaus, Arzttermine, die ständigen Blutuntersuchungen und Titer Bestimmungen, Medikamentenwechsel…
Ich fühle mich als Mensch dritter Klasse, der keine Chancen bekommt aufgrund eines Blatt Papiers, welches ich mitführen muss. Ich meistere mein Leben so gut es geht, zumindest habe ich ein paar Menschen um mich, die für mich da sind.
Ich muss keine Angst vor Abschiebung, Strafe oder dem Tot durch die Regierung haben, denken Sie jetzt? Nun ja, vielleicht wären wir durch den Tod viele Sorgen, Depressionen, Kämpfe und Kraft erspart geblieben.
Weiter machen kostet Kraft, Geduld und auch viel Geld, das man nicht hat. Vielleicht sollte ich mich doch Arbeitsunfähigkeit schreiben lassen, dann gelte ich zusätzlich als „Sozialschmarotzer der nicht arbeiten möchte“, das ist hier ja nicht unüblich.
Irgendwann darf ich wieder arbeiten gehen, hoffe ich.
Irgendwann werde ich wieder glücklich sein, glaube ich.
Irgendwann wird der Kampf hoffentlich zu Ende sein, bald…
Wien, 10.10.2018
Bernd Garabal, 22
– Beatrix